Radtour 2011

Nordsee-Bodensee

   
   
   

Montag 05.09.2011 (Wilhelmshaven - Sandkrug)

Wilhelmshaven - Nassau Brücke

Dangast

 

Von Sandkrug bin ich mit der Bahn nach Wilhelmshaven gefahren, um dort meine Radtour von der Nordsee zum Bodensee zu beginnen. In Wilhelmshaven hat vor vielen Jahren meine seglerische Laufbahn begonnen, und von dort - speziell vom Nassau-Hafen - habe ich unzählige Male mit einer Segelyacht zu Fahrten in die Nordsee abgelegt - auch zu einer Fahrt ins Mittelmeer (bis Mallorca).
Nun will ich von hier zu einer Radtour von Nord nach Süd durch die Republik starten. Um 12.10 Uhr bin ich von der Nassau-Brücke aufgebrochen. Dann am Südstrand entlang, dann vorbei an den auf dem Deich weidenden Schafen nach Dangast. Dort war ich bereits nach einer Stunde. Dann bin ich auf der alten Bundesstraße über Rastede und Oldenburg wieder nach Sandkrug geradelt. Um 16.00 Uhr stand ich vor der Haustür und hatte die ersten 73 km meiner Radtour zurückgelegt.
Meine einzige Vorbereitung für diese Fahrt waren kurze, ca. 25 km lange Radfahrten durch die umliegenden Orte und Waldgebiete. Aber auch nur dann, wenn das Wetter gut war.
Die Gründe für diese Reise sind: Sich im Alter noch einmal richtig zu fordern, eine ungewöhnliche Reise zu machen, seine Gesundheit zu testen und vielleicht zu verbessern, Gewicht zu verlieren, sich mental auf solch ein Abenteuer einzustellen, "Weg vom Schreibtisch!" - und Computer ...
Mein Fahrrad ist ein Kalkhoff Agattu C8-G Nexus, Wave XL 57
Ausstattung/Rahmen: 28'' E-Bike Comfort/Aluminium / Zero Stack / innen verlegte Züge Gabel: Verso ADJ / einstellbar
Schaltung: Shimano Nexus 8-Gang
Bremsen: Shimano / V-Brake
Extras: Panasonic Pedelec Antrieb mit bürstenlosem Motor/250 Watt Leistung / Lithium-Ionen Batterie 468Wh / AXA LED Beleuchtungsanlage mit Sensor und Standlichtfunktion / Spezielle E-Bike Continental Bereifung mit Reflexstreifen / Selle Royal Freedom Gel Sattel mit Elastomeren / Aluminium-3-Bein-Gepäckträger / Verstärkte Laufräder / doppelwandige Hohlkammerfelgen / bis zu 170 kg Gesamtgewicht
Heute 73 km

Twistringen

 

Dienstag 06.09.2011 (Sandkrug - Uchte)

Sitze im Supermarkt in Uchte und trinke eine Tasse Kaffee. Das einzige Hotel im Ort und gleichzeitig einzige Übernachtungsmöglichkeit öffnet erst um 17.00 Uhr. So nutze ich die Zeit, meinen Tagesbericht zu schreiben.
Um 9.15 Uhr bin ich in Sandkrug aufgebrochen. Gerda hat mir liebevoll alles Gute gewünscht und mich gebeten, gut auf mich aufzupassen. Auf den ersten Kilometern gingen mir die Gedanken durch den Kopf, wo ich heute Abend wohl schlafen kann. Für die Reise habe ich keine Anmeldungen in Hotels, Gasthöfen oder Pensionen vorgenommen, weil ich ja nie weiß, wieweit ich komme, wie lange der Akku hält, ob es regnet oder stürmt oder ob ich einen Tag mich erholen will. Jeden Abend erhöhte Spannung.
Heute kam der Wind kräftig aus SW, also schräg von vorne. Je weiter ich nach Süden kam, desto kahler wurde die Landschaft und der Wind ungemütlicher - fast wie in Ostfriesland. Um das Ziel überhaupt zu erreichen, bin ich mit schwacher E-Motor-Unterstützung gefahren. (Das Rad hat eine 8-Gang-Nabenschaltung und eine dreistufige E-Motor-Unterstützung: stark-mittel-schwach.) Je weniger man den E-Motor beansprucht, desto größer ist die Reichweite. Um die 90 km bis Uchte zu erreichen, musste ich kräftig mitkurbeln. Nun ist der Akku aber leer.
Die Reichweite des Akkus ist mit 140 km angegeben. Die sind aber wohl nur zu erreichen, wenn man ein Mädchen mit 40 kg Körpergewicht auf ein leichteres Rad setzt, die dann nur mit 18 km/h fährt, kein Gepäck mitführt und Rückenwind hat. Meine Bedingungen sind extrem anders: Erstens bringe ich 130 kg Lebendgewicht auf die Waage (heute morgen zu Protokoll gegeben), fahre in der Regel mit 25-27 km/h, mit Reisegepäck und gegen den Wind.
Meine Methode, häufig nach dem Weg zu fragen, hatte heute den Erfolg, dass mir von Wildeshausen ein wunderbarer Wirtschaftsweg nach Colnrade gezeigt wurde. Allein auf freier Strecke durch Felder und Auen. So könnte es immer gehen. Aber auf den letzten Kilometern vor Uchte gab es an der von vielen LKWs befahrenen Bundesstraße 61 keinen Radweg.
Um 11.45 Uhr war ich nach 45 km in Twistringen und bin seit 15.00 Uhr hier in Uchte (Tagesstrecke 93 km).
Andreas hat sich darüber Sorgen gemacht, wie ich Sitzprobleme vermeide. Ganz einfach: mit der Creme aus der blauen Blechdose, bekannt aus Kindertagen.
Es wäre schade, wenn das Wetter morgen nicht mitspielt. Morgen will ich an die Weser bei Petershagen und dann am Flusslauf entlang bis Rinteln.
Heute 92 km, Gesamtstrecke: 165 km

Weserradweg

Mittellandkanalbrücke bei Minden

Porta Westfalica

 

Mittwoch 07.09.2011 (Uchte - Rinteln)

Beim Aufwachen sah es so aus, als müsste ich heute im Regen fahren. Ich dachte, es wäre aber sinnvoll, wenn ich von dem langweiligen Uchte wenigstens bis Petershagen kommen würde. Also verließ ich das Hotel um 08.45 Uhr. Ein Mann empfahl mir einen Radweg hinter einem Bahndamm. Der war somit windgeschützt, denn es stürmte immer noch so heftig wie gestern. Leider dauerte dieser Schutz nicht lange.
Um 09.45 Uhr kam ich dann hinter Petershagen an die Weser. Ihr werde ich nun bis Hann.Münden folgen. Auf dem heutigen Wege ging es vorbei an der imposanten Brücke des Mittellandkanals über die Weser in Minden, dann vorbei am Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica, vorbei an Bad Oehnhausen. Der Weserradweg führt nicht direkt in die Orte, sondern häufig an ihnen vorbei.
Um 12.00 Uhr habe ich etwa 20 km vor Rinteln ein Mittagspause gemacht und das Brötchen aus dem Hotel verzehrt und die Banane von daheim.
Um 13.30 kam ich bereits in Rinteln an und habe vom Informationsbüro ein Hotel direkt neben der Kirche empfohlen bekommen. Um 14.45 Uhr lugte, nachdem ich eine Klingel an der Haustür gedrückt hatte, ein Mann aus einem Fenster im dritten Stock und fragte nach meinem Begehren. Eine Frau öffnete mir und gab mir die Schlüssel für ein sehr einfaches Einzelzimmer mit Etagenklo und -dusche. Das Bett ist ok, ich habe Mittagsschlaf gehalten und mich ausgeruht.
Nun gehe ich gleich zum Computerladen und schicke von dort diesen Bericht. Von meinem Zimmer kann ich mich nicht ins W-LAN einloggen.
Weiterfahren kann ich nicht, denn der Akku ist wieder leer. Der stramme Gegenwind am Anfang hat ihn leer gelutscht. Auf den letzten Kilometern hatte der Wind gedreht und kam zum Glück von achtern. Insgesamt sind heute 73 km zusammengekommen - bei viel Wind, ohne einen Tropfen Regen bei unterbrochener Bewölkung, aber bei immer mehr zunehmendem Sonnenschein.
Heute: 73 km, Gesamtstrecke 238 km

Hütte bei Kattenhagen

Weser bei Hameln

 

 

 

Donnerstag 08.09.2011 (Rinteln - Holzminden)

Der Start fiel heute morgen schwer, weil es draußen grau und trübe war und Regenschauer angekündigt waren. Die Lust weiterzufahren war auf dem Tiefpunkt. Um 09.00 Uhr habe ich mich dann aufs Rad geschwungen und bin dem Weserradweg in Richtung Hameln gefolgt. Es lief wider Erwarten besser, als ich dachte. Gegen 10.20 Uhr erreichte ich Hameln. Auf dem Hinterrad schien mir zu wenig Luft zu sein. Das stellt man dadurch fest, dass das Hinterrad bei Kurven leicht ausbricht. Bei einem Fahrradhändler habe ich Luft nachgefüllt.
Gegen 12.00 Uhr war dann doch das Hinterrad so platt, dass es nicht mehr ging. Ich war in der Nähe einer Fähre zu einem Ort am gegenüberliegenden Ufer. Man konnte man ein Signal auslösen, um den Fährmann von der anderen Seite zu rufen. Es kam aber niemand. Auf dem Radweg habe ich dann ein zufällig entgegenkommendes Ehepaar angesprochen. Augenscheinlich auch on Tour. Der Mann schenkte mir, nachdem ich ihm mein Problem geschildert hatte, eine Spraydose, mit der man das Leck im Schlauch beheben könnte. Entsprechend der Gebrauchsanweisung habe ich den Schlauch mit dem Inhalt der Dose gefüllt und mit meiner Miniluftpumpe wieder Luft in den Schlauch gepumpt. So kam ich etwa 5 km weiter. Dann habe ich wieder anhalten müssen.
Zum Glück hielt eine entgegenkommende Fahrradtruppe von 5 Ehepaaren im Seniorenalter an, die sich nach meinem Problem erkundigten, mir noch einige Tipps für das Einfüllen des Inhaltes der Spraydose und die Adresse des Fahrradhändlers in Holzminden gaben. Einer der Senioren half mir mit einer längeren Luftpumpe, den Schlauch wieder aufzufüllen.
Nun hielt die Luft besser und länger. Sechs Kilometer vor Holzminden bat ich erneut ein vorausfahrendes Ehepaar um ihre längere Luftpumpe. Das Nachfüllen hielt dann bis in die Stadt. Ich fuhr sofort zu dem Fahrradhändler. Der Händler nahm sich meines Problems an und schickte mich zu einer kleinen Pension in der Nähe. Dort war jedoch kein Platz mehr frei. Die Wirtin nannte mir eine andere Adresse. Mit meinem Handy erkundigte ich mich, ob noch ein Zimmer frei sei. Zum Glück ja! Nachdem ich dort eingecheckt hatte, brachte ich das Rad zu dem Fahrradhändler, der mir versprach, den Schaden bis zum nächsten Morgen zu beheben. In dem Geschäft war zufällig ein Mann, der mich mit seinem PKW bis zur Pension mitnahm.
Fazit: Das Wetter war Mist, Regen und Wind auf den letzten 20 km, habe aber nette und hilfsbereite Leute getroffen. Das macht Mut auf morgen.
Es sind heute 93 km zusammengekommen. Insgesamt habe ich von Wilhelmshaven nun 331 km zurückgelegt.

Kloster Corvey

Hann.Münden (links Werra, rechts Fulda, und dann Weser)

 

 

Freitag 09.09.2011 (Holzminden - Hann.Münden)

Der Tag nach der gestrigen Panne hat mich beunruhigt. Man fährt immer mit der Ungewissheit, ob nicht doch wieder etwas passiert. Das Gefühl ist besonders stark am Morgen vor dem Frühstück. Als ich dann um 9.00 Uhr gefrühstückt hatte und anschließend zum Fahrradhändler gegangen war, bekam ich die erste gute Nachricht, dass der gestern mit Spray "geflickte" Schlauch in der Nacht keine Luft verloren habe. Trotzdem ist ein neuer eingezogen worden, und ich habe nun einen Ersatzschlauch im Gepäck. Außerdem eine Pulle Dichtungsspray.
So konnte ich um 10.00 Uhr starten. Um 10.30 war ich am Kloster Corvey, habe dort eine kurze Pause und ein Foto gemacht, in Beverungen für meine Pause unterwegs zwei kernige Brötchen gekauft. Dann mit einer kleinen Fähre von der Westseite auf die Ostseite gewechselt. Die Fähre war ein kleiner Kahn, der mit mir und meinem Fahrrad fast schon ausgefüllt war. In Bad Karlshafen habe ich einen zu jungen Mann nach dem Weserradweg gefragt. Er hat mir den Ersatzweg auf der Ostseite der Weser empfohlen, der andere führe an der Autostraße auf der Westseite entlang. Der Ersatzweg hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Es war ein Waldweg mit grobem Schotter, zum Teil steil bergan und bergab. Das Fahrrad ist total verdreckt. Ich habe um die Reifen gezittert, aber zum Glück ist nichts passiert. In Westheim (oder so ähnlich) konnte ich mit einer Fähre wieder auf die Westseite wechseln und die Fahrt auf dem geteerten Weserradweg fortsetzen.
Um 16.00 Uhr bin ich in meinem Tagesziel Hann.Münden angekommen. Das Informationsbüro hat mir ein einfaches Zimmer in der Innenstadt besorgt. Ich werde versuchen, diese E-Mail von irgendwo abzusetzen.
Um 21.oo Uhr bin ich in die Stadt gegangen und kam zu einer Veranstaltung, die sich Bratkartoffel-Test nannte. Dort konkurrierten vier Vereine um die Herstellung der besten Bratkartoffeln. Tester waren die Besucher dieser Veranstaltung. Der Erlöß sollte einer gemeinnützigen Organisation zugute kommen. Ich habe auch eine Portion Bratkartoffeln probiert. Sie war sehr lecker. Dazu gab es ein großes Glas Bier.
Der heutige Weg hatte die Länge von 85 km, somit habe ich von WHV 416 km zurückgelegt.

Hann.Münden

Weserfähre

 

Samstag 10.09.2011 (Hann.Münden - Heldra)

Ich schreibe diesen Bericht in einem kleinen, speziell angefertigten Wohnwagen, ähnlich einem Zigeunerwagen. Von innen sehr hübsch eingerichtet, aber ohne Wasser, Toilette und Dusche. Dazu muss ich etwa 30 m über die grüne Wiese in einen kleinen Fachwerkschuppen gehen. In dem Duschraum ist ein wunderschönes Waschbecken aus Sandstein und eine exzellente große Dusche. Das alles gehört zu einem Gasthof in Fachwerkbau mit uraltem, liebevoll ausgesuchtem Interieur. Dieser Gasthof in Hildra ("Kleegarten") war mir in Eschwege empfohlen worden, und weil ich ein wenig erschöpft war, habe ich hier für heute Schluss gemacht - nach 82 km.
Die Strecke an der Werra entlang ist zum Teil sehr romantisch, gut zu fahren und gut ausgeschildert. Im Informationsbüro in Hann.Münden wurde mir bereits gestern gesagt, die Strecke an der Werra sei viel schöner als die an der Fulda.
Ein paar Worte zu dem E-Bike. Ich freue mich, beim Treten Unterstützung zu haben. Die ist allerdings nicht immer passend. Ein besonderes Problem sind Anstiege. Das Rad hat eine 8-Gang-Nabenschaltung. Wenn man jedoch eine Steigung anfährt, muss man vor der Steigung den Gang einlegen, mit dem man denkt, die Steigung bewältigen zu können. Mitten in der Steigung kann man keinen niedrigeren Gang einschalten, weil man dann aufgrund des Gewichtes von Rad, Gepäck und mir, sofort den gesamten Schwung verliert und mehr oder weniger stehen bleibt. Das ist mir schon öfter passiert - und ich musste den Rest der Steigung mit dem schweren Rad nach oben schieben. Hier wäre eine Kettengangschaltung wohl hilfreicher, denn die kann man ohne Rücknahme des Pedaldrucks durchschalten. Um bei der Nabenschaltung in einen kleineren Gang zu kommen, muss man am besten die Pedale kurz rückwärts drehen. Ansonsten rastet der niedrige Gang nur mit einem furchterregenden Knack und kurzem Ruck an den Pedalen ein. Das klingt, als würde man die Nabenschaltung zerlegen.
Heute waren viele Radfahrer unterwegs, viele entgegenkommend, einige in der gleichen Richtung wie ich. Vermutlich viele Wochenendfahrer - und das Wetter lud heute zum Radfahren ein: warm, Sonnenschein, trocken, kaum Wind. So schien es mir sinnvoll, rechtzeitig sich ein Quartier zu sichern.
Heute 82 km. Der Gesamtkilometerstand beträgt heute 498 km. Das freut mich und lässt hoffen, dass ich weiterhin nicht den Mut verliere.

"Kleegarten" in Heldra

Wohnwagen

Mein Helfer

 

Sonntag 11.09.2011 (Heldra - Harnrode)

Heute habe ich mich um 9.00 Uhr nach einem ordentlichen Frühstück aufs Rad geschwungen, aber um 11.00 Uhr hatte ich erst 1 km zurückgelegt. Das kam so. 400 m nach dem Gasthof - noch im Ort Heldra - brach die Fahrradkette. Folglich bin ich zum Gasthof "Kleegarten" zurückgerollt bzw. musste es schieben.
Das Personal des Gasthofes hat sich sofort um die Lösung des Problems gekümmert, einen Fahrradhändler im 6 km entfernten Wanfried angerufen, der trotz Sonntagsruhe und Familienfeier bereit war, mir zu helfen, mir eine neue Kette zu verkaufen oder die alte zu flicken. Der Mann einer Mitarbeiterin in dem Gasthof hat mich dann mit seinem Mercedes nach Wanfried gefahren, den Fahrradhändler aufgesammelt und dann zu der Werkstatt gebracht. Der Händler stellte fest, dass lediglich das Kettenschloss gebrochen sei. Mit zwei neuen Schlössern sind wir nach Hildra zurückgefahren. Dort habe ich versucht, die Kette einzuziehen, kam aber keinen Schritt voran. Schließlich kam der Fahrer, holte von seinem Haus eine Plastikplane und etwas Werkzeug. Die Plastikplane haben wir auf einen Tisch gelegt und darauf das Fahrrad gestellt. Wir haben ganz viel Zeit mit der Führung der Kette verbracht. Sie ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Vier Ketten- und Umlenkräder müssen richtig angesteuert werden.
Nach so viel Unterstützung wollte ich mich finanziell an den entstandenen Unkosten beteiligen. Das war nicht möglich, denn der Mann lehnte das grundsätzlich ab, ihm habe das Ganze einfach Spaß gemacht. Wieder ein Beispiel für die Hilfsbereitschaft der Menschen. Also habe ich mich um 11.00 Uhr wieder aufs Rad geschwungen und die nächste Etappe in Angriff genommen.
Die Strecke führte vorbei an Treffurt. Die Strecke von dort bis Milha ist sehr interessant, rechts die Werra und direkt links des Radweges eine steile Felswand. Weiter vorbei an Creuzburg, Eisenach und Gerstungen. Langsam zog das angekündigte Unwetter auf. Auf dem letzten Stück zwischen Lengers und Harnrode ging es los. Ich wetterte den Schauer hinter einer Baumgruppe ab. Nach weiteren Pausen und Unterstellen hinter Hausmauern fand ich schließlich eine Pension in Harnrode (Hinweis von einer strickenden Frau in einer Tankstelle).
Trotz Panne habe ich 79 km zurückgelegt - und wieder einige Pfunde verloren. Gesamtstrecke: 577 km

Kalibergwerk bei Heringen

Wasungen

 

 

 

Montag 12.09.2011 (Harnrode - Untermaßfeld)

Strecke: Harnrode - Philippsthal - Vacha - Bad Salzungen - Breitungen - Wernshausen. Bis 13.00 Uhr verlief alles gut. Dann bei der Ausfahrt von Wasungen ein lauter Knall - und hinten war der Schlauch geplatzt. Ich mußte das Rad in den Ort zurückgeschieben - zu einem Fahrradhändler, den mir eine Frau genannt hatte. Dort angekommen, las ich: "Geschlossen bis 17.9." Zum Glück war gegenüber ein Autohändler. Ihn fragte ich nach einem weiteren Fahrradhändler in dem Ort. Den gab es nicht. Der Autohändler sagte, ich solle mein Fahrrad in seine Werkstatt schieben. Er wolle versuchen, mir zu helfen. Nach der Analyse des Schadens schickte der Autohändler einen seiner Angestellten nach Meiningen, um einen Schlauch und eine Decke zu holen. Ich konnte solange im Büro sitzen, mich entspannen, ausruhen und eine gespendete Flasche Wasser leer trinken. Nach 2 ½ Stunden war die Reparatur fertig. Der Autohändler gab mir noch gute Tipps und einen Computerausdruck für die Strecke Meningen - Schweinfurt mit.
Aus dem Radio in dem Büro habe ich folgenden schönen Spruch gehört: "Nutzt das Leben, denn Ihr kommt nicht lebend davon!" Mit diesem Spruch bin voller Tatendrang wieder aufs Fahrrad gestiegen und an Meiningen vorbei bis Untermaßfeld gefahren, habe ein Quartier in dem Gasthof "Zum Stern" mit angegliederter Metzgerei gefunden.
Für die Panne in Wasungen mache ich hauptsächlich den Schotterbelag auf den Fahrradwanderwegen verantwortlich. Häufig kommt nach einem Anstieg eine schnelle Abfahrt - und wenn man dann mit Schwung über die spitzen Steine brettert, bleiben Schäden an den Reifen nicht aus. Da ich nun den Werraradweg verlasse, hoffe ich auf besseren Belag auf den weiteren Wegen. Es ist für mich kein Problem (wie schon einige Male passiert) über befahrene Bundes- und Landstraßen zu fahren, denn meine Kleidung ist schon recht auffällig - und Laster machen einen großen Bogen um mich herum. Sehr beruhigend.
Heute betrug die Strecke trotz Panne 74 km. Insgesamt habe ich damit 651 km abgestrampelt. Gestartet war ich heute um 8.45 Uhr, habe um 9.00 Uhr in eine Metzgerei gefrühstückt, war dann um 11.00 Uhr in Bad Salzungen, um 13.00 in Wasungen (siehe oben), 16.30 Uhr in Meiningen und um 17.00 Uhr in dem Gasthof in Untermaßfeld.
P.S. Ich berichte nicht über die Sehenswürdigkeiten am Rande der Strecke. Die sind schon tausendmal im Internet beschrieben worden - auch die einzelnen Radwege. Ich komme am besten mit einem Zettel klar, auf dem ich die Orte notiert habe, die ich ansteuern will.

 

Neustadt a.d.Saale

Bad Kissingen

 

Dienstag, 13.09.2011 (Untermaßfeld - Bad Kissingen)

Nach opulentem Frühstück in dem der Fleischerei angegliederten Gasthof bin ich um 9.15 Uhr aufgebrochen. Mir war von vornherein klar, dass der Wechsel vom Werratal hinüber zur Fränkischen Saale nicht ohne Steigungen sein würde. Und so kam es dann auch. Manchmal musste ich kurze Stücke bergan schieben - und war dann oben angekommen völlig außer Atem und schweißnass. Hier die Reihenfolge der heute durchfahrenen Orte von meinem Reisezettel: Ritschenhausen - Wölfershausen - Bibra - Rentwertshausen - Northeim - Mellrichsstadt (10.50 Uhr) - Oberstreu - Heustreu - Bad Neustadt an der Saale (12.00 Uhr) - Niederlauer - Bad Bocklet - Bad Kissingen.
Um 15.00 Uhr habe ich nach Vermittlung durch das Informationsbüro ein Quartier in der Pension "Münchner Kindl" mitten in der Innenstadt gefunden. Ein schönes helles Zimmer mit Bad und Dusche.
Das Wetter heute: Dichte Bewölkung mit grauen Wolken, aus denen gelegentlich leichter Sprühregen fiel, der angenehm kühlte. Eine Regenjacke war nicht nötig. Temperatur um 20 Grad.
Heute Abend werde ich vermutlich in die Gaststätte am Markt gehen, in der Gerda und ich schon mehrfach gegessen haben, wenn wir mit dem Wohnmobil auf der A7 gen Norden fuhren. Das Besondere an dieser Gaststätte ist, dass die Wirtsleute den Gäste einen Platz an längeren Tischen zuweisen und die Gäste so zusammensetzen, so dass schnell Gespräche zwischen den Gästen entstehen. Das hat uns damals sehr gefallen.
Mein Poloshirt mit dem Aufdruck "Wilhelmshaven ? Friedrichshafen" verursacht immer wieder Gespräche, wenn ich anhalte. So auch heute vor dem Gradierwerk im Park von Bad Kissingen. Ein anderer Einstieg in ein Gespräch ist häufig die Frage nach dem Fahrrad. Viele ältere Männer, die überlegen, selbst ein E-Bike zu kaufen, wollen gern von meinen Erfahrungen hören.
Meine Tagesstrecke bergauf-bergab beträgt wieder 74 km, somit komme ich auf eine Gesamtstrecke von 725 km.

Gräfendorf

Intelsat-Funkstation Fuchsberg

 

 

Mittwoch 14.09.2011 (Bad Kissingen - Lohr am Main)

Um 09.00 Uhr bin ich von Bad Kissingen aufgebrochen. Von dort bin ich weiter an der Fränkischen Saale entlang nach Hammelburg geradelt - und weiter nach Gräfendorf. Dort habe ich entgegen meiner Erfahrungen einen kapitalen Fehler gemacht und eine Frau unter 45, die mich zudem charmant anlächelte, nach dem Weg nach Gemünden gefragt. Sie zeigte mir eine Straße, die kurz danach eine Steigung von 17% hatte. Zunächst hatte ich mir nichts dabei gedacht, weil ich annahm, die Steigung sei nach 200 Metern, die ich einsehen konnte, zu Ende. Aber Pustekuchen! Nach 17% kamen 14%, dann 12 %. Diese Steigungen konnte ich überhaupt nicht fahren, das heißt: Ich habe das schwere Rad etwa 600 Meter den Hang hinaufgeschoben - natürlich mit Pausen, weil ich schon nach 30 Metern vollständig aus der Puste und klitschnass war. Als die Steigung nur noch 10% betrug, bin ich in Schlangenlinien den Rest hochgefahren. Schließlich fand ich einen Schotterweg, der mich über Rieneck nach Gemünden brachte. Vor Gemünden überholte ich einen älteren Herrn auf einem Sportrad. Als ich ihm erzählte, auf welchem Weg ich nach Gemünden gekommen sei, erzählte er mir, ich sei einen Umweg von ca. 20 km gefahren. Als ich ihm auf seine Frage, wer mir diesen Weg empfohlen habe, eine charmant lächelnde junge Frau nannte, lächelte er nur.
Dadurch war mein eigentliches Ziel (Marktheidenfeld) nicht mehr zu erreichen und habe in einem Gasthof mit Metzgerei in Steinbach, einem Ortsteil von Lohr am Rhein, übernachtet - möglichst billig im 4.Stock in einer Dachkammer. Meine Klamotten nach oben zu schaffen, ist nach solch einer Tagestour eine riesige Anstrengung für mich. Belohnt habe ich mich dann mit einer Hühnersuppe und einem "ungarischen" Schnitzel und einem schönen halben Liter Hefeweizen. Das Schnitzel war riesig - und machte anschließend Schwierigkeiten beim Einschlafen, zumal ich seit Tagen kein Stück Fleisch gegessen hatte.
Mein Tagespensum beträgt 78 km - und die Gesamtleistung bis heute 803 km.

Gemünden am Main

Main

Tauberbischofsheim

 

Donnerstag 15.09.2011 (Lohr a.M. - Dittigheim)

Heute hat die Fahrt richtig Spaß gemacht. Der Mainradweg erfreut das Herz des Radlers: breit, geteert, kaum Steigungen, schöne Orte wie Marktheidenfeld und Wertheim. Hinzu kam blauer Himmel, aber trotzdem nicht zu heiß. Schiffe auf dem Main. Gelegentlich ein Wehr mit Schleuse. Marktheidenfeld und Wertheim sind wunderschöne Städtchen mit alten Fachwerkhäusern. In Wertheim bin ich dann abgebogen ins Taubertal. Der Radweg entlang der Tauber hatte anfangs einige steile Anstiege und Abfahrten, aber je näher ich nach Tauberbischofsheim kam, desto flacher wurde der Radweg, ebenfalls geteert und breit.
In Tauberbischofsheim sprach mich vor einer Ampel eine Frau aus einem ebenfalls auf Grün wartenden Auto auf meinen Hinweis auf dem Rücken meines Poloshirts "Wilhelmshaven? Friedrichshafen" an. Kurz hinter der Kreuzung hielt das Auto an, und die Frau erzählte, sie habe vor Jahren in Bockhorn, meiner ersten Dienststelle als Junglehrer, gegenüber der Schule gewohnt. Nach längerem Plausch, in dem wir aber klären konnten, dass wir nicht zur gleichen Zeit in Bockhorn waren, fuhr ich weiter zum Marktplatz und erkundigte mich bei einem Taxifahrer nach einer preiswerten Herberge. Ich fand eine tolle alte Herberge, direkt in der Innenstadt, für Wanderer auf dem Jakobsweg. Ich stellte mein Fahrrad im Innenhof ab und ging in die Stadt, um eine Anschlusskarte für den weiteren Weg zu kaufen. Im zweiten Laden fand ich zum Glück die Karte "Rhein/Neckar", die - wie mir im ersten Buchladen gesagt wurde - vergriffen sei, weil ein Neudruck anstehe, der aber noch nicht lieferbar sei. Für Karten aus einem anderen Verlag, die den gleichen Bereich abdecken würden, hätte ich mindestens 3-4 Exemplare kaufen müssen. Zurück in der Herberge erfuhr ich dann, dass für mich kein Platz mehr sei. Also ging ich zum Informationsbüro, das mir einen Gasthof in Dittigheim, 3 km südlich von Tauberbischofsheim, vermittelte.
Beim Abendessen in dem Gasthof "Zum Grünen Baum" kam ein Ehepaar zu mir an den Tisch, das zum Glück sehr ortskundig war. Anhand der neuen Karte hat der Mann mir den Weg für den nächsten Tag beschrieben, der mir nicht einfach schien. Mein Plan ist, vom Taubertal ins Jagsttal hinüberzuwechseln und dann an den Neckar zu kommen. Bekanntlich beinhaltet solch ein Wechsel die Überwindung einer Wasserscheide - und das kann mit steilen Anstiegen und Abfahrten verbunden sein. Mit reichlich Notizen bin ich ins Bett gegangen.
Um 9.00 Uhr war ich heute gestartet, 10.30 Uhr in Marktheidenfeld, 12.30 Uhr in Wertheim und 15.30 Uhr in Tauberbischofsheim und habe 79,5 km zurückgelegt. Insgesamt 883 km.

Wimpfen am Neckar

Heilbronn

 

Freitag 16.09.2011 (Dittigheim - Nordheim)

Heute musste sich beweisen, ob die gestern empfohlene Strecke so geringe Steigungen hat, wie angekündigt.
Erst mal vorweg: Ich bin angekommen - ich bin sogar weiter gekommen, als ich mir vorgestellt habe. Aber völlig erschöpft. Ich habe gleich nach der Ankunft in diesem Gasthof geduscht, mich ins Bett geschmissen und drei Stunden geschlafen. Jetzt habe ich nach dem Verzehr von Restbrötchen und - aufschnitt und sechs unterwegs eingesammelten Pflaumen mich wieder aufgerappelt, um den Tagesbericht zu schreiben - und weil der Gasthof einen W-LAN-Anschluss hat, und ich somit meine letzten Berichte direkt versenden kann.
Meine Strecke heute (für Liebhaber von geografischen Exkursen): Dittigheim - Tauberbischofsheim - Königheim - Dittwar - Heckfeld - Eubigheim - Rosenberg (Kirnau) - Osterburken - Adelsheim - Roigheim - Möckmühl (Jagst) - Neudenau - Bad Wimpfen (Neckar) - Neckarsulm - Heilbronn - Nordheim.
Die Anstiege waren machbar, aber nicht alle. Aber das Tagespensum zeigt, dass ich trotz allem gut durchgekommen bin. Unterwegs habe ich mich mit Obst versorgt. Es gibt unglaublich viele Apfel- und Pflaumenbäume am Wegesrand, die übervoll mit Früchten sind. Nur gelegentlich sieht man ein paar Leute, die Äpfel einsammeln.
Ich wäre gern in Tauberbischofsheim geblieben, aber dort gab es wegen eines Weinfestes nur noch teure Hotels. So bin ich mit dem letzten Saft im Akku bis Nordheim gefahren, bin um 17.30 Uhr hier im Gasthof "Zum Ochsen" angekommen und habe heute 101 km zurückgelegt. Dass ich so weit gekommen bin, hat mich selbst überrascht.
Morgen soll es vermutlich regnen. Aber wenn nicht, könnte ich vielleicht bis Stuttgart kommen. Der Weg am Neckar entlang ist gut fahrbar und gut ausgeschildert - heißt es.
Insgesamt bin ich nun 984 km von Wilhelmshaven bis hier geradelt.

 

 

Mercedes Museum in Stuttgart

Plochingen

 

Samstag 17.09.2011 (Nordheim - Oberensingen)

Von der heutigen Fahrt habe ich mir überhaupt keine Aufzeichnungen in meinem kleinen Notizbuch gemacht. Ich wusste, ich brauche nur am Neckar entlang zu fahren, um nach Stuttgart und weiter nach Wendlingen zu kommen. Wie lang die Strecke am Ende werden könnte, wusste ich überhaupt nicht. Leider ist der Neckarradweg sehr schlecht ausgeschildert. Ich habe am heutigen Tag mindestens 40 Leute nach dem Weg gefragt oder mich zumindest versichert, auf dem richtigen zu sein.
Nördlich von Stuttgart führte der Weg durch Weinanbaugebiete. Es war verlockend, ein paar Trauben zu klauen. Zum Glück traf ich eine Winzerfamilie, die an einem steilen Hang die Beeren mit großen Eimern einsammelten und auf einen Wagen schütteten. Ich bat einen jungen Mann um eine Traube. Sogleich kam die Frau des Winzers an den Weg, gab mir eine weitere Traube und sagte, sie hätten nichts dagegen, wenn man sich eine Traube abpflücke, sie würden sich nur ärgern, wenn die Leute sie dann wegwerfen würden, weil die Trauben nach ihrem Geschmack zu sauer seien. Ich könne mir selbst noch ein Paar Trauben nehmen von dem Nachbarfeld. Dort hingen weiße Rieslinger Trauben. So habe ich mich bis kurz vor Stuttgart mehr oder weniger nur von Trauben ernährt.
Ich war vorbeigefahren an Lauffen a.N., Kirchheim a.N., Besigheim, Mundelsheim, Pleidelsheim, Freiberg a.N., Ludwigsburg und kam dann nach Stuttgart hinein. Plötzlich war ich auf den Cannstatter Wasen, wo die Schausteller ihre Schau- und Fahrgeschäfte für das große Volksfest in der nächsten Woche aufbauten. Kurz danach kam ich an der Mercedes Benz Arena und dem Mercedes Museum vorbei. Ich wäre gern in das Museum gegangen, aber das Wetter sah nicht allzu vertrauend erweckend aus und bis Nürtingen sollten es noch 30 km sein. Also musste ich sehen voranzukommen. Der Akku signalisierte bereits, dass er nicht mehr allzu viel Saft hatte. Folglich fuhr ich die nächsten 25 Kilometer ohne Unterstützung weiter am Neckar entlang - über Esslingen nach Plochingen und weiter nach Wendlingen. Bei gelegentlichen kurzen, aber steilen Rampen habe ich den E-Antrieb zugeschaltet. So kam ich problemlos, aber mit viel Kraftaufwand schließlich nach Nürtingen und bog dann ab nach Oberensingen, wo Katharina und ihr Mann hoch am Hang wohnen. Meine Tochter und ihr Mann waren - das war mir bekannt - auf einer Hochzeitsfeier. Übers Handy wurde ich zu dem versteckten Hausschlüssel gelotst. Um 17.30 Uhr konnte ich mein Fahrrad in der Garage abstellen.
Nachdem ich mich geduscht und mir eine große Portion Salat (Feldsalat, Tomaten, Schlangengurke) zubereitet und verzehrt hatte, bin ich ins Bett gegangen. In der Nacht ging plötzlich ein starkes Gewitter mit Donner und einer riesigen Menge Wasser nieder. Es schüttete gewaltig - und ich war froh, trocken und warm im Bett zu liegen.
Die Tagesstrecke betrug heute 109 km. So kommt eine Gesamtstrecke 1093 km zusammen.

 

Panorama Therme Beuren

 

Sonntag 18.09.2011 (Oberensingen)

Heute ist Sonntag. Bekanntlich soll man am Sonntag ruhen. Da ich nun 14 Tage unterwegs bin, ruhe ich mich heute hier bei meiner Tochter in Oberensingen, einem Ortsteil von Nürtingen, aus. Die Wäsche ist bereits in der Waschmaschine - und gefrühstückt haben wir auch bereits.
Einige werden sich vielleicht fragen, wie viel Gepäck ich bei mir habe.
Die Kleidung besteht aus: 2 Hosen, bei denen ich die Beinlänge verkürzen kann, 3 T-Shirts, eine Radfahrerunterhose, 3 normale Unterhosen, 3 Paar Socken, einen Polartec-Pullover, eine leichte Regenjacke, eine Mütze, ein paar Schuhe, ein Handtuch und Kulturtasche mit dem üblichen Inhalt und der blauen Dose.
An Utensilien: Netbook, Palm IIIc mit Adressen, Handy, dazu die Ladegeräte, 4 Radtourenkarten, 2 ADAC-Übersichtskarten Deutschland, Sonnenbrille, Lesebrille, Ladegerät für den Fahrradakku, Geldbörse, Notizbuch und Kuli, Fahrradcomputer, Brotdose, Reifenspraydose
Das alles wird verstaut in zwei Fahrradgepäcktaschen, einer Lenkertasche und einer losen Tasche auf dem Gepäckträger. Bis jetzt bin ich mit meiner Ausrüstung sehr zufrieden. Ich habe alles Notwendige mit - und alles Unnötige daheim gelassen. Ansonsten müsste ich noch mehr Gewicht die Hänge hochwuchten.
Das Wetter meint es anscheinend wirklich gut mit mir: Heute Nachmittag hört der Regen auf, und in den nächsten Tagen soll es trocken bleiben. Es wird sogar wieder wärmer und sonnig.
Am späten Nachmittag fahren wir in die Panorama Therme Beuren. Dort waren Gerda und ich bereits. Es ist ein wunderschönes Bad mit allen erdenklichen Einrichtungen, die von einer warmen Quelle versorgt werden. Unterschiedlich warme Becken und Saunas aller Art. Eine ideale Sache bei dem immer noch anhaltenden Regen.

 

Radweg von Reutlingen nach Trochtelfingen:

Länge : 24,4 km
Fahrzeit (15 km/h) : 1:37 Std.
niedrigster Punkt : 0 m
höchster Punkt : 805 m
Höhenmeter aufwärts : 2231 m

(Quelle: Google Maps)

Das war nichts für mich!

 

Montag 19.09.2011 (Oberensingen)

In der Panorama Therme in Beuren war es gestern Abend lustig. Alle Becken waren voll mit jungen, knutschenden Paaren, die sich kaum von der Stelle bewegten. Da das Wasser um 27 Grad ist, halten sich die meisten trotz einer Außentemperatur von ca. 11 Grad im Außenbecken auf, dessen Unterwasserbeleuchtung kontinuierlich wechselt. Oben auf dem Berg sieht man die angestrahlte Burg Hohenneuffen. Alles sehr romantisch. Ich habe meine doch etwas müden Knochen mit Ausdauer aufgewärmt, d.h. ich habe das Becken bis zum Aufbruch nach 2 Stunden gar nicht verlassen - und sah ein wenig schrumpelig aus.
Die Entscheidung, auf welchem Weg ich von hier an den Bodensee fahren will, fällt mir nicht leicht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Auf dem kürzeren Weg über die Schwäbische Alb oder in weitem Bogen um sie herum. Fahre ich die (vielleicht?) flachere, aber längere Strecke über Villingen-Schwenningen nach Konstanz, brauche ich einen Tag mehr, um an den Bodensee zu kommen, weil der Weg zwischen dem Schwarzwald und der Schwäbischer Alb hindurch länger ist. Andererseits: Die steilen Anstiege an der Nordseite der Schwäbischen Alb kann ich mit meinem Gepäck nicht bewältigen. Die sind bis zu 12% steil und außerdem zu lang, um sie hinaufzuschieben zu können. Hinzu kommt, dass man dann teilweise auf stark befahrenen Landstraßen fahren muss - und das könnte zwischen LKWs, die sich auch den Berg hochquälen, sehr gefährlich werden.
Ich hatte heute ausreichend Zeit, alle Möglichkeiten anhand von Karten und Beschreibungen im Internet zu studieren - und mich nun entschieden, mich von Katharina mit dem Auto die Schwäbische Alb bis Trochtelfingen hinauffahren zu lassen. Das sind 45 km. Von dort kann ich durch das schöne Laucherttal bis Sigmaringen an der Donau leicht abwärts fahren.
Von Trochtelfingen bis Sigmaringen sind es nur 31 km, von dort bis Ludwigshafen am Bodensee 45 km und bis zum Ziel Friedrichshafen 42 km. Das sind dann für mich und mein Rad insgesamt noch 118 km. Der Weg um die Schwäbische Alb herum wäre 250 km lang. Soll ich mich nun schämen, ein kleines Stück mit dem Auto gefahren zu sein? Auf der Heimreise will ich mindestens das Stück von Bingen bis Koblenz fahren. Alles andere werde ich soweit wie möglich mit der Bahn zurücklegen.

Trochtelfingen

Sigmaringen a.d.Donau

 

 

Dienstag 20.09.2011 (Oberensingen - Meßkirch)

Es war eine gute Entscheidung, dass Katharina mich mit dem Auto auf die Schwäbische Alb gefahren hat, denn die Steigungen, die wir hochgefahren sind, hätte ich mit dem Rad nicht geschafft. Um 12.00 Uhr waren wir in Trochtelfingen und haben noch zusammen ein halbe Stunde lang in einem Café gesessen. Dann haben wir das Vorderrad wieder eingesetzt und aufgepumpt. Wir hatten die Luft abgelassen. Wir mussten das Vorderrad abmontieren, weil sonst das große Fahrrad nicht durch die Heckklappe des Combis passte - und die Luft musste abgelassen werden, weil ein aufgepumpter Reifen nicht zwischen die Bremsbacken hindurch passt.
Um 12.30 Uhr habe ich mich dann auf den Drahtesel geschwungen und bin in zwei Stunden mit leichtem Gefälle das Laucherttal hinunter zur Donau nach Sigmaringen geradelt. Das nächste Stück auf dem Donauradweg von Sigmaringen bis Inzigkofen war leicht zu fahren. Aber danach musste ich vom Donautal wieder auf die Höhe. Als ich in dem kleinen Ort Vilsingen war, habe ich mich gründlich verfahren, weil der Radweg wieder einmal schlecht ausgeschildert war. Schließlich kam ich, nachdem ich das Rad auf einen Schotterweg durch den Wald hochgeschoben hatte, an eine Scheune mit einer Bank. Dort habe ich Pause gemacht und das am Morgen geschmierte Brot und eine noch vorhandene Weintraube gegessen. Ein Bauer kam mit seinem alten McCormick-Trecker den Hang herauf, hielt an und sagte, ich solle die Leiter aus der Scheune holen und mir so viele Pflaumen abpflücken, wie ich wolle.
Schließlich kam ich auf nicht ausgeschilderten Wegen - einfach der Nase nach - nach Meßkirch. Am Ortseingang war ein Fahrradhändler, bei dem ich hoffte, einige Auskünfte über einen Gasthof hier in Meßkirch oder auf dem weiteren Weg zu bekommen. Er sagte, es gäbe in Meßkirch nur ein Hotel, und beschrieb mir den Weg dorthin. Weil es mir teuer erschien, bin ich zum Informationsbüro gefahren. Dort drückte man mir ein Unterkunftsverzeichnis vom Donaubergland in die Hand. Nach dem Studium der Orte auf dem Wege hinunter zum Bodensee war kein noch erreichbares Angebot. Also habe ich in den sauren Apfel gebissen und sitze jetzt in dem Hotel Adler - "Alte Post". Bis Ludwigshafen am Bodensee, wo es Gasthöfe in Überfülle gibt, wären es noch gut 35 km gewesen. Solange hätte der Akku nicht mehr Strom gehabt. Mit vollem Akku komme ich morgen wahrscheinlich bis Friedrichshafen.
Die Tagesleistung beträgt heute nur 59 km und die Gesamtstrecke 1152 km.

Überlingen

Wallfahrtskirche Birnau

Schwäbische Zeitung Friedrichshafen

 

 

Mittwoch 21.09.2011 (Meßkirch - Friedrichshafen)

Um 8.45 Uhr bin ich in Meßkirch zur letzten Etappe aufgebrochen. Durch die Orte Unterbichtlingen, Schwackenreute, Zoznegg und Winterspären kam ich an den Bodensee bei Ludwigshafen. Teilweise hatte die Strecke enorm steile Abfahrten und Anstiege, die ich hochschieben mußte. Im großen Ganzen ging es aber abwärts, wobei die Abfahrten viel schneller ablaufen als die Anstiege. Die Anstiege kommen so schnell nacheinander, dass man sich kaum erholt. Um 10.30 Uhr sah ich dann, als ich oben aus dem Wald kam, den Bodensee mit der Stadt Ludwigshafen. Als erstes fielen die Obstplantagen mit den Spalierapfelbäumen auf, an denen verführerische rote Äpfel leuchteten. Die Sonne schien warm vom blauen Himmel.
Dem Bodensee-Radweg zu folgen, ist kein Problem. In Überlingen sprachen mich drei ältere Männer an, die sich vergewissern wollten, ob ich wirklich von Wilhelmshaven mit dem Rad gekommen sei. Der eine meinte dann, das sei dann wohl eine Sache des Kopfes. Recht hat er. Denn wenn ich mich nicht mit meinem Aufdruck und ähnlichen Aktionen aus dem Fenster gelehnt hätte, hätte ich manchmal das Handtuch geworfen. So hatte ich mich selbst etwas unter Druck gesetzt - und das war gut.
Um 12.15 Uhr war ich schon in Meersburg, habe dort in der Unteren Gasse eine Currywurst gegessen und mir eine Apfelschorle gegönnt und bin dann auf das letzte Teilstück nach Friedrichshafen gegangen. Als ich in Friedrichshafen am Informationsbüro vorbeikam, habe ich sofort nach einem Quartier gefragt und ein Einzelzimmer im Hotel Schöllhorn an der Friedrichstraße, direkt gegenüber vom Stadtgarten am Bodenseeufer, gefunden.
Bevor ich aber mich dort einquartiert habe, bin ich zur Schwäbischen Zeitung gefahren, habe dort vorgesprochen und erzählt, ich käme - wie man an meinem T-Shirt erkenne - mit dem Rad von Wilhelmshaven und sei soeben in Friedrichshafen angekommen. Ob sie an dieser Tour interessiert seien? Ich wurde sofort in die Redaktion im oberen Stockwerk geschickt und an einen Redakteur verwiesen. Der junge Mann hat sich dann mit großem Interesse meine Geschichte angehört, alles notiert und ein Foto gemacht. Das Interview hat ca. eine halbe Stunde gedauert. Dann bin ich zum Hotel gefahren. Der Bericht von meiner Reise soll nun in der Zeitung erscheinen - und ich bekomme ein Exemplar nach Hause zugeschickt. Dieses und alles andere werde ich später auf meiner Homepage veröffentlichen, damit jeder sieht, dass ich wirklich hier gewesen bin.
Heute Abend werde ich mir ein Glas Sekt genehmigen, denn ich bin ein klein wenig stolz darauf, diese Strecke von nun insgesamt 1227 km (heute 75 km) geschafft zu haben. Viele fragen: " … und das ganz allein?" Ganz-Allein hat auch Vorteile: Du brauchst deine Geschwindigkeit niemandem anzupassen, du kannst Pausen machen, wann du willst, du kannst selbst die Route festlegen, du kannst ohne Rücksicht auf Verluste mit dir rummeckern und -schimpfen, dich selbst verfluchen und dich einen Dummkopf schimpfen, du kannst schwitzen und stinken, ohne dass es jemandem auf den Wecker geht, nachts schnarchen und so häufig die Toilettenspülung ziehen wie du willst, ohne jemanden aus dem Schlaf zu reißen … Einen großen Nachteil für einen Alleinreisenden sehe ich darin, dass er große Schwierigkeiten bekommt, wenn er auf einem einsamen, wenig befahrenen Radweg eine Panne hat. Aber zum Glück hatte ich nur dann eine Panne, wenn ich in der Nähe von Behausungen oder auf einem befahrenen Radweg war.
Zur Zeit läuft hier in Friedrichshafen die Interboot-Messe. Da ich telefonisch bereits festgestellt habe, dass der Delius Klasing Verlag hier keinen Stand hat und ich somit keine Bekannten aus dem Verlag treffen kann, werde ich nicht auf die Messe gehen.
Jetzt gehe ich zum Bahnhof (300 m entfernt), erkundige mich nach guten Rückreisemöglichkeiten mit der Bahn und werde diesen Bericht von einem Internet-Café losschicken, weil es hier im Hotel nur einen mir zu teuren W-LAN-Anschluss gibt.

Loreley

Pfalzgrafenstein

 

 

Donnerstag 22.09.2011 (Friedrichshafen - Koblenz)

Nun bin ich auf der Rückreise. Um 9.32 Uhr rollte der Zug in Richtung Stuttgart an. Es war für mich zunächst ein ungewöhnliches Erlebnis, nun nicht mehr selbst strampeln zu müssen, sondern gefahren zu werden. Man wird ja so dankbar nach solch einer langen Fahrradstrecke: Keine Steigungen mehr! In Stuttgart, Heidelberg und Frankfurt musste ich umsteigen. Da die Züge pünktlich waren, hatte ich immer genug Zeit, die Bahnsteige zu wechseln. In den Kopfbahnhöfen wie Stuttgart und Frankfurt ist das überhaupt kein Problem, und in Heidelberg gab es Aufzüge.
In Frankfurt passierte mir folgendes: Der Schaffner verlangte von mir, dass ich in dem Fahrradabteil das Gepäck von dem Fahrrad nähme und oben in die Ablagen lege. Das schreibe die Beförderungsrichtlinie vor - und wenn ich in Bingen aussteige, solle ich erst das Fahrrad auf den Bahnsteig stellen und dann die Gepäckstücke aus dem Zug holen. Die Katastrophen, die dabei schon passiert sind, kennt man doch! Frau stellt das Rad auf den Bahnsteig, will die Kinder und das Gepäck holen, die Zugtüren fallen automatisch zu - und der Zug rollt mit den Kindern und dem restlichen Gepäck davon. Ich habe mich strickt und vehement gegen seine Zumutungen gewehrt, ihn gebeten, mir die Beförderungsvorschriften zu zeigen, und ihm gesagt, ich bleibe neben dem Fahrrad im Fahrradabteil sitzen und würde mich mit einem Reisenden, der ebenfalls mit einem Fahrrad zusteige, schon einigen. Es kam aber keiner. Ich warne hiermit vor einem Schaffner, der im RE 12990 von Frankfurt a.M. nach Koblenz (ab Ffm um 16.08 Uhr) Dienst hat.
In Bingen hatte ich mich von dem Vorfall noch nicht ganz erholt. Mir kam der Gedanke: Je näher man an die Großstädte kommt, desto bekloppter werden die Schaffner. Als ich in Bingen ausstieg, musste ich mir den Frust von der Seele radeln, bin aufs Rad gestiegen, habe den Radweg gesucht und bin am Rhein entlang geradelt. Ein schöner breiter Radweg mit grundsätzlich leichtem Gefälle. Nachdem ich etwa 15 km zurückgelegt hatte, habe ich Alexandra in Koblenz angerufen und gefragt, ob es möglich sei, bereits heute ankommen zu können. Alexandra sagte, sie informiere die Kinderfrau für Konstantin, Christoph käme um 21.30 Uhr vom Dienst und sie eine Stunde später. Also habe ich Gas gegeben und bin mit etwa 24 km/h nach Koblenz gesaust. Um 21.45 Uhr stand ich nach 65 km vor der Wohnung.
Nach einigen gemeinsamen Gläschen Rotwein war die Welt wieder in Ordnung.
Morgen werde ich mit Alexandra und Konstantin zur Bundesgartenschau auf der Festung Ehrenbreitstein hinaufschweben und am Nachmittag den letzten Teil meiner Reise mit der DB antreten.

 

BUGA Koblenz

Deutsches Eck in Koblenz

 

Freitag 23.09.2011 (Koblenz - Sandkrug)

Wanne-Eickel Hbf 18.00 Uhr. Ich sitze an einem Tisch in dem oberen Stockwerk des RE 10227 von Duisburg nach Münster. Um 21.19 Uhr soll ich nach weiterem Umsteigen in Münster und Osnabrück in Sandkrug und endlich bei Gerda zu Hause sein. Noch ist der Zug seit Koblenz genau im Plan. Ein Lob auf die Bundesbahn. Oder doch zu früh? Wir werden sehen.
Heute Morgen war ich mit Alexandra und Konstantin auf der BUGA. Die von einer österreichischen Firma gebaute Seilbahn über den Rhein zum BUGA-Gelände auf Ehrenbreitstein macht richtig Spaß. In einer der Blumenhallen war eine Dahlienpräsentation: Wunderschöne Züchtungen in ausgefallenen Farben und Formen.
Zum Abschluss meines Besuches haben wir an der Rheinpromenade unter einem Sonnenschirm gegessen, weil es in der Sonne bereits zu warm war. Dann sind wir mit den Rädern zur Wohnung zurückgeradelt. Ich habe meine Sachen gepackt, mich verabschiedet und habe am Bahnhof ein Ticket für die Rückfahrt gekauft. Pünktlich um 15.16 Uhr setzte sich der erste RE in Richtung Duisburg in Bewegung, über Bonn, Köln, Düsseldorf.
Nun bin ich wieder zu Hause - bei Gerda. Alle Anschlüsse haben geklappt. Pünktlich um 21.19 Uhr lief die Nordwest-Bahn in Sandkrug ein. Gerda holte mich ab.
Nun werde ich mit Gerda eine Flasche Rotwein trinken - und vermutlich lange reden über das, was ich erlebt habe und wie Gerdas Fahrt mit Ulrike und Carsten nach Rømø verlaufen ist.
Die Gesamtstrecke meiner Fahrt beträgt nun 1299 km.

     
    NORDWEST-ZEITUNG vom 29.September 2011